Psychologische Aspekte des Ausdauertrainings

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Neben umfangreichen positiven physiologischen Verbesserungen kann ein Ausdauertraining auch deutliche positive psychologische Veränderungen und Wahrnehmungen hervorrufen, welche in ihren Auswirkungen unterschiedlich ausgeprägt sein können und manchmal auch nur im Ausdauersport zu finden sind:

• Intensives Wahrnehmen der Natur und des eigenen Körpers (manchmal mit dem Gefühl des "Einswerden mit der Natur")
• Veränderter Bewusstseinszustand (Selbstversunkenheit, Tagträume, besonderes Innenerleben)
• Gesteigertes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl durch das Erbringen besonderer (persönlicher) Leistungen
• Verbesserung der allgemeinen Stimmungslage und des allgemeinen Wohlbefindens


Die ausdauerspezifische Beanspruchung gibt dem Sportler etwas, was sich rational oft nicht wirklich erklären lässt. Der typische Ausdauersportler hat häufig ein einzigartiges Verhältnis zu "seinem" Sport. Solche positiven Auswirkungen und Wahrnehmungen führen bei vielen Ausdauersportlern dazu, dass ihr Sport zu einem wichtigen Bestandteil ihres Lebens wird – in gewisser Weise sogar zu einer Art Lebensphilosophie – was für einen Nichtsportler, dem solche Erfahrungen fremd sind, nicht nachvollziehbar ist.

Den Ausdauersportlern wird dadurch oft von Laien und Nichtsportlern eine gewisse Sucht nach ihrem Sport nachgesagt. Sucht ist hier aber eine unglückliche Bezeichnung, da eine echte Sucht immer mit etwas Unkontrollierbarem und Selbstzerstörerischem zusammenhängt, was mit dem Verhalten, sich mit etwas sehr leidenschaftlich zu beschäftigen, überhaupt gar nichts zu tun hat. Beim Ausdauersportler wäre die Bezeichnung positive Abhängigkeit eher zutreffend.

Beim reinen Gesundheitssportler, welcher sich mit einer Minimalfitness zufrieden gibt, ist häufig ein Schwarzweißdenken vorzufinden. Er kennt nur seine minimalistische, durch geringe zeitliche und körperliche Beanspruchung geprägte Sportwelt und (das krasse Gegenteil) den Spitzensport aus dem Fernsehen. Dass dazwischen noch ein sehr, sehr breites Feld liegt, sowohl was das Leistungsniveau als auch die Zielsetzung betrifft, ist er nicht in der Lage nachzuvollziehen. Dass es Millionen von aktiven und ambitionierten Ausdauersportlern gibt, welche – ohne die Chance auf große Siege und finanzielle Einnahmen – leistungsorientiert ihren Sport betreiben (mit entsprechendem Zeitaufwand und körperlicher Beanspruchung), passt nicht in ihr Weltbild und ihr Denken darüber ist stark behaftet von Vorurteilen und Klischees. So bedienen sie sich dann auch gerne gewisser Polemik, wenn es darum geht, das Tun solcher Ausdauersportler zu beurteilen. „Die haben nichts Besseres zu tun“; „Die sind ja süchtig“; „Das ist ja nicht gesund“; „Die haben ja nur Sport im Kopf“; "Die müssen sich irgendwas beweisen" sind typische Standardsprüche, die dann chronisch von sich gegeben werden.

Kommen solche Äußerungen von Menschen, welche durch Bewegungsfaulheit etliche Kilos zu viel Körperfett mit sich rumschleppen, so beweglich sind wie der Sessel auf dem sie ständig sitzen, der Anblick einer Treppe für diese schon mit Anstrengung verbunden ist und sie zahlreiche Wehwehchen haben, ganz zu schweigen von Alkohol und Nikotin, dann kann dies beim sehr aktiven Ausdauersportler nur grinsendes Kopfschütteln auslösen.

Es liegt in der Natur des Menschen, Grenzen zu erkunden, zu erfahren, Herausforderungen anzunehmen, sich mit anderen zu messen – und ja, auch sich oder anderen etwas zu beweisen. Sport ist wohl eine modernes, unserer Zeit entsprechendes Mittel dafür, welches prinzipiell jeder anwenden kann. Der Hang zum Sport mag auch ein instiktives Handlen sein, dem Körper etwas zu geben, was die Natur von ihm fordert: nämlich sich zu belastet, weil er dafür ausgelegt ist. Und intensiver bzw. leistungsorientierter Sport (insbesondere der Ausdauersport) kann auch einem „Nichtweltmeister“ zu einer Physis verhelfen, welche einem lebenslang vor sich hinfaulenden und degenerierten Sesselkadaver vollkommen fremd ist.

Siehe hierzu auch meine persönliche Darlegung: Mentales.