3. "Sportkarriere": Ultral-Trail-Lauf
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Sportlicher Werdegang 3
Irgendwie kam mir mal der Gedanke „Ultramarathon“ und auf der Suche im Internet bin ich auf die Seite des TV Rengsdorf gestoßen, die neben einem Volkswandertag auch Läufer zur Veranstaltung einladen. Die längste Strecke: 50 km.
Nun sind 50 km nicht viel mehr als ein Marathon und eine Distanz, welche für erfahrene (Marathon-)Läufer „bequem“ zu schaffen sein sollte, wenn diese einfach nur ihr übliches Marathon-Tempo entsprechend ein Stück reduzieren. Allerdings liegt der Veranstaltungsort (des gleichnamigen Vereins) im Westerwald, dessen Mittelgebirgs-Charakter ein äußerst anspruchsvolles Streckenprofil aufweist – sprich: zahlreiche steile und längere Anstiege Marke „Wadenbeißer“ und „Oberschenkelbrenner“. Und erschwert wird das Ganze dadurch, dass es fast ausschließlich über Naturwege geht. Es handelt sich hierbei also nicht um einen gewissen „Pseudo-Ultra-Lauf“ und die 50 km sind kein wirklicher Orientierungsmaßstab, sondern man muss hierbei die Dauer als Maßstab nehmen, die locker bei <möglicher Marathon-Zeit plus ~ 2 Stunden> liegen kann. Diese Vermutung (vorab) hatte sich am Ende voll bestätigt.
Eine weitere (sympathische) Besonderheit kommt dazu: Es handelt sich hierbei nicht um einen Volkslauf (im üblichen Sinne), sondern im Prinzip um einen Fun-Lauf. Das heißt: Man bezahlt zwar sein (übrigens sehr günstiges) Startgeld, es gibt eine (theoretisch) fixe Startzeit und ausreichende Verpflegungsstellen unterwegs – aber keine Startnummern, keinen Startschuss und keine offizielle Zieleinlauf- bzw. Zeit-Wertung. Urkunden werden mit der Zeit ausgestellt, welche man selbst angibt bzw. selber gestoppt hat. Schnell habe ich mich für dieses Unternehmen entschieden.
Viel los war am Start nicht, ca. 50 weibliche und männliche Wesen wuselten dort rum. Sehr ruhig und familiär das Ganze. Welch ein (durchaus angenehmer) Kontrast zu dem oft hektischen Getümmel so mancher großen Volkslaufveranstaltung. Es war so, als wäre hier um 8 Uhr (morgens) nur ein Lauftreff angesagt. Letzteres wurde noch dadurch betont, dass 5 min vor dem Start der kleine Kreis von Läufern letzte Instruktionen von einem der Organisatoren bekam und es dann - ohne Startschuss und ohne übliche Reihe nervös zappelnder Meute vor einer Startlinie - locker losging. War schon irgendwie komisch, auch die fehlende Startnummer bäuchlings. Aber angenehm – kein Druck, alles sehr easy.
Der Zieleinlauf unspektakulär: Durch Zielbanner laufen, Zeit stoppen (nach ~ 5:20 h:min netto), fertig. Keine Zuschauer, kein Sprecher. Ein Tisch mit Tee in Kanistern und Bechern. Selbstbedienung angesagt. Und wieder dieses Alles-so-anders-Gefühl. Dieser Lauf hatte es mir angetan – es war einfach nur schön! Dieser Lauf sollte mein Lieblingslauf werden.
Unter all den „Laufbekloppten“ sind die „Ultras“ wieder ein Völkchen für sich. Viele sind früher auf den üblichen Distanzen zwischen 10 km und Marathon Zeiten hinterher gerannt und hatten irgendwann keinen Bock mehr auf die Schinderei. Bei den meisten Ultraläufern liegt die Philosophie vor: Der Weg ist das Ziel und die Herausforderung. Zeiten sind vollkommen nebensächlich! So ist es bei Ultraläufen auch schon Standard, dass die meisten bei stärkeren Anstiegen gehen, um Kräfte zu sparen, zumal man laufend nicht oder kaum schneller wäre (die Laktate aber bedeutend höher sind).
Nun, seit 2007 gehöre ich nun auch zu dieser besonderen Gattung Läufer, welche sich Ultramarathonläufer schimpfen. Und ich versuche dabei – den Umständen entsprechend – so locker ins Ziel zu kommen, dass ich am nächsten Tag keinen Rollstuhl benötige ;-) An den Verpflegungsstellen wird gerne in Ruhe getrunken und auch Pausen, um Fotos zu machen, sind gegeben. Daraus resultierende Zeitverluste gehen mir sowas am Hintern vorbei … wegen 30 min (oder so) reiße ich mir kein Bein aus. Zu meinen besten Zeiten wäre so etwas undenkbar gewesen, die Stoppuhr am Handgelenk war mein größter Feind.
Für einen Laien nicht vorstellbar: Ein Ultralauf ist einfacher als ein hart gelaufener Marathon! Und ich laufe heute lieber 50-100 km durch ein Mittelgebirge, als bei einem 10er von Anfang bis Ende an der Kotzgrenze zu laufen.
Im Training begnüge ich mich mit 3 Tagen bzw. Einheiten je Woche. Ich trainiere kaum weniger als noch einige Jahre vor dieser Zeit. Aber die durchschnittliche Laufgeschwindigkeit ist deutlich niedriger, Anzahl und Umfang der richtig harten Einheiten erheblich geringer - ja so gar sehr selten geworden. Obwohl ich nun mehr lange Läufe mache, bekommt dies meinem Körper besser. Auch psychologisch: Der Quälfaktor im Training ist geringer. Ein weiterer positiver Effekt: Muss ich aus zeitlichen Gründen mal eine Woche Trainingspause einlegen, ist dies trainingsmethodisch unproblematisch. Am Wochenende eine Ultra-Tour und man verliert nach einer Woche ohne oder nur minimalistischem Training nichts an Ausdauer.
Volksläufe von 10 km bis Marathon stehen bei mir auch gelegentlich noch auf dem Programm. Der Marathon wird aber nur noch in einem Trainingstempo absolviert (knapp vier Stunden statt Richtung 3:30) und 10er bis Halbmarathon nur noch als intensive Einheit genutzt – nichts mehr auf Anschlag. Der Weg und das Naturerlebnis ist das Ziel geworden.
Desweiteren habe ich eine Liebe für lange Wander- / Walking-Touren durch Mittelgebirge entdeckt. Nein, kein (nicht böse gemeintes ;-) gemütliches „Schleichwandern“, welches üblicherweise bei den meisten Wanderern zu sichten ist - sondern mit einem gewissen sportlichen Charakter. Mit durchschnittlich ca. 1,5 - 2 km/h höherem Gehtempo und Distanzen von 50 km und mehr, bin ich deutlich schneller bzw. länger unterwegs als der „gewöhnliche“ Wanderer.
Dennoch steht dabei das Naturerlebnis an erster Stelle. Es ist nicht so, dass ich mit Scheuklappen und Stoppuhr durch die Gegend gehe. Ich kann wie jeder andere auch Natur und Landschaft wahrnehmen und gönne mir dafür auch Unterbrechungen bzw. Pausen. Der Reiz liegt für mich auch darin, mich mit Karte (einer richtigen – nicht einfach nur nach GPS!) orientieren zu müssen. Teilweise geht es dann einige Stunden nur durch einsamen Wald, wo man kaum eine Menschenseele antrifft.
Diese sportliche Betätigung ist „stressfreier“ als Laufen, weniger muskulär bzw. orthopädisch belastend – aber deshalb alles Andere als leicht und trainingsmethodisch uneffektiv. Um die 9 Stunden (netto) zügigen respektive strammen Schrittes im Gelände auf den Beinen zu sein … da ist man nicht weniger fertig als nach einem 4-Stunden-Trainingslauf.
Allerdings sind reine "Wander- / Walkingtouren" auch die Außnahme. Überwiegend ist bei meinen Ultras Laufen stark einbezogen und Gehen wird nur wegen dem anspruchsvollem Streckenprofil und der langen Dauer eingestreut. Gehen gehört eben zum Ultra-Trail-Lauf zwangsläufig dazu.