Laufschuhe - Wie viel Dämpfung braucht man?
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Viel oder eher wenig Dämpfung bei Laufschuhen, ein Thema, welches seit Jahren diskutiert wird und worüber teilweise förmlich Glaubenskriege geführt werden.
Die Laufschuhindustrie bietet verstärkt Schuhe mit recht starker, respektive weicher Dämpfung an. Für den Laien scheint dies einleuchtend: Je mehr Stöße der Bewegungsapparat bzw. die Gelenke aushalten müssen, desto schädlicher ist es. Gelenke sind aber biologisches Gewebe, welch sich (in Grenzen) regeneriert. Und ein gewisses Maß an regelmäßiger Belastung ist notwendig, damit es auch versorgt wird. Und jede Art der künstlichen Dämpfung nimmt dem Muskelapparat Arbeit ab, selber stabilisierend und dämpfend zu agieren. Insbesondere die Fußmuskulatur leidet durch zu wenig Training erheblich darunter. Starke Laufschuhdämpfungen können dem Läufer dadurch sogar schaden, weil sie schwächend auf den Bewegungsapparat wirken. Weiche Schuhe begünstigen grundsätzlich auch eine übermäßige Beweglichkeit im Fußbereich, z. B. ein verstärktes Einknicken des Fußes in der Aufsetz- und Abdruckphase. Dem wird dann mit (härteren) Stützelementen entgegengewirkt, was dann wieder schnell im Widerspruch zur „guten Dämpfung“ steht, da diese dann wieder signifikant eliminiert wird. Somit könnte man sich das ganze Konstrukt auch irgendwie sparen. Hinzu kommt noch, dass solche Fersendämpfungen auch eine entsprechende hohe Sohle erforderlich macht und dabei der Fersenbereich auch höher ist als der Vorfußbereich (der Unterschied wird als Sprengung bezeichnet). Dies ist aber unphysiologisch und schränkt beispielsweise die natürliche Bewegungsfreiheit der Achillessehne ein. Doch irgendwie verkaufen sich Dämpfungsschuhe sehr gut. Und dies ist ja die Intension der Industrie – das Verkaufen.
Aber seit einigen Jahren ist „Natural-Running“ in aller Läufermunde, welches Schuhe anpreist, welche die Füße und dadurch den Bewegungsapparat möglichst natürlich belasten sollen. Dafür gibt es Schuhe, die flacher und weniger gedämpft sind und mehr natürliche Beweglichkeit zulassen. Dadurch wird aber auch oft ein gedämpfter Schuh grundsätzlich infrage gestellt. Es ist wohl belegt, dass stark gedämpfte Laufschuhe zu orthopädischen Problemen führen können. Allerdings gilt dies auch für „natürliche Laufschuhe“. Und dies erst recht, wenn lange Distanzen zurückgelegt werden sollen. Dies hält die orthopädische Physis des Zivilisationsmenschen eben nicht so einfach aus. Außerdem fördert ein harter Schuh, getragen auf recht hartem Untergrund, die muskuläre Ermüdung maßgeblich. Ein Fakt, welcher oft unbedacht bleibt. Dann muss der Schuh einen müden Muskel stabilisieren, welcher teilweise erst durch den Schuh ermüdet wurde. Die berühmte Katze, welche sich selber in den Schwanz beißt. Außerdem wird dann ggf. mehr Stabilität mit ggf. starken Muskelschmerzen erkauft – was auch nicht sinnig sein kann.
Es ist hierbei fehl am Platz nur schwarzweiß zu denken. Die Wahrheit dürfte wie so oft wieder in der Mitte liegen – nämlich in der Praxis verschiedene Dämpfungsvarianten zu nutzen. Dabei gilt dann die Regel: lange Distanzen = starke Dämpfung / kurze Distanzen = kaum Dämpfung und möglichst viel natürliche Belastung für die Füße. Oder / und bei gewissen Distanzen eben auch Schuhe, welche bezüglich ihrer Dämpfungsmöglichkeiten irgendow zwischen hart und weich liegen. Es gibt genügend Trainingseinheiten, wo Natural Running angewandt werden kann. Somit verlernt der Muskelapparat gar nichts. Im Gegenteil: Werden gut gedämpfte Schuhe gezielt eingesetzt, so regeneriert er schneller und kann dann bei den Natural-Running-Einheiten besser arbeiten bzw. diese besser vertragen. Ich sehe in gut gedämpften Schuhen auch eine mögliche Verletzungsprophylaxe - da gerade die langen Einheiten stark ermüdend wirken! Mit möglichst wenig Schuh den Muskelapparat darauf zu trainieren möglichst gut (selbst) zu stützen, stabilisieren und zu dämpfen funktioniert nur so lange die Muskulatur noch nicht deutlich ermüdet ist. Bei starker Ermüdung, welche bei langen Läufen irgendwann auftreten wird, ist diesbezüglich kein Trainingseffekt mehr möglich – und „Natural-Running“ wird sinnlos und kontraproduktiv. Wenn mir bei einem Ultra im Trail irgendwann unterhalb des Hintern alles wehtut und mir dann einer mit „Natural-Running“ käme, dem würde ich mit einem Schimpfwort und „dem Finger“ entgegnen. ;-)
Also, was die Laufschuhe betrifft: variieren, variieren, variieren! Ausgiebiges Fußmuskeltraining (mit und ohne spezielle Laufschuhe) und bei Bedarf auch ruhig Dämpfungsmonster tragen.
Dick und dünn - beides ist erlaubt. Es kommt immer auf die Situation an.