Wanderschuhe kontra Trail-Laufschuhe

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Bei Wanderern oft zu sehen: voluminöse Wanderschuhe, respektive richtig dicke Wanderstiefel. Wenn Letztere im extrem alpinen Gelände durchaus Sinn machen können (und ich meine wirklich "extrem"!), so lässt sich der Einsatz solcher „Stampfer“ im Nicht-Extrem-Gelände hinterfragen.

Für mich wäre es fußtechnisch der absolute Horror, an jedem Beinende 600-700 g schwere Klötze zu haben. Zugegeben, subjektiv kann es angenehm sein, wenn man über Stock und Stein schreitet, ohne dass da was den Füßen schaden kann. Doch bei näherer Betrachtung ist dies in vielerlei Hinsicht nachteilig und unfunktionell. Wenn ein solcher Stiefel bis über den Knöchel ragt, eine recht dicke, harte und steife Sohle hat, dann ist dieser theoretische Schutz (geringere Gefahr des Fuß-Umknickens, Schutz vor Steinen & Co.) eine Milchmädchenrechnung.

Die Natur hat es nicht vorgesehen, dass der Mensch sein Sprunggelenk in ein künstliches Korsett zwängt und das selbige in seiner natürlichen Beweglichkeit einschränkt. Es hat einen Sinn, dass unser Fußgelenk so beweglich ist! Gut eine Million Jahre lang hat der Mensch und seine Vorfahren keine Schuhe getragen und er musste barfuß gehen – und dies immerfort durch unebenes Gelände. Verletzungen durch zu starkes Umknicken mit dem Fuß waren deshalb nicht Standard. Der Bewegungsapparat war ständig darauf trainiert, solche Unebenheiten auszubalancieren. Beim heutigen Zivilisationsmenschen ist diese Fähigkeit zunehmend verkümmert, da er sich überwiegend auf schön ebenem Terrain bewegt und die meiste Zeit des Tages Schuhe trägt.

Wenn das Sprunggelenk in seiner natürlichen Beweglichkeit eingeschränkt wird, dann muss der Körper an einer anderen Stelle ausweichen. Kann bei einer Unebenheit der Fuß nicht ausreichend zur Seite kippen, weil er durch einen hohen Schuh „gesperrt“ wird, so kippt der ganze Unterschenkel mehr - mit entsprechend höherer Belastung auf das Kniegelenk. Das Kniegelenk muss dann ggf. mehr „knicken“ als bei voller Fußfreiheit. So mancher „Knieverknackser“ resultiert unter Umständen durch solche Fußgelenksschoner Marke Wanderstiefel.

Die größte Gefahr eines verletzungsträchtigen Umknickens mit dem Fuß entsteht durch ein mangelhaft trainiertes Nerven-Muskel-System und nicht durch den Bodenbelag oder einen Halbschuh. Und dieses Übel lässt sich nicht dadurch beseitigen, indem man den Fuß in eine Rüstung steckt, welche diesen quasi versteift. Im Gegenteil: Solche Schuhe lassen die koordinativen Fähigkeiten, in potenzieller Notsituation schnell zu reagieren und gegenzusteuern, noch mehr verkümmern. Gerade das Gehen und Laufen über stark unebenen Boden – mit Schuhen, welche die volle Bewegungsfreiheit im oberen Sprunggelenk ermöglichen – trainiert die erforderliche Koordination des betreffenden Nerven-Muskel-Systems hervorragend! Und dies ist die beste Verletzungsprophylaxe!

Hat ein solcher Schuh noch sehr dicke Sohlen, lassen diese zwar kaum Druck durch (z. B. durch Steine), unterbinden aber quasi jedes Tastempfinden des Fußes. Dieses Tastempfinden ist aber wichtig, da es dem Gehirn und Nerven-Muskel-System ständig Informationen über die Bodenbeschaffenheit liefert, welches wiederum elementar wichtig ist, um koordinativ darauf zu reagieren – im Notfall eben auch sehr schnell. Außerdem muss die Fußmuskulatur dabei erheblich weniger arbeiten und verkümmert dadurch signifikant. Es sei denn man ist ansonsten regelmäßig barfuß ö. ä. tätig!

Hierbei wird dann schnell der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Solche Schuhe sind widernatürlich und unphysiologisch. Das sind Schuhe - streng genommen - generell, da der Mensch von Natur aus ein Barfußläufer ist. Aber die Frage ist, wie groß muss man das Übel machen?

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Muss das sein? Dicke Klötze am Fuß - Foto: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt_pixelio.de